Eva Lexa erzählt in ihrem Roman
in ebenso raffinierter wie tragikomischer Dialektik von dem Leben, das sie in Kashmir Anfang des Krieges 1989 geführt hat.
Die Autorin beschreibt in
furioser Weise ihr Leben mit PTBS
(Posttraumatische Belastungsstörung).
Sie hat die ganze Welt bereist, um mit ihrem Mann Fotografien für Bildbände aufzunehmen.
Die Erfahrungen und Weisheiten,
die sie unterwegs gewonnen hat,
gibt sie an den Leser weiter.
Ihre enorme Beobachtungsgabe,
die am Anfang aller ihrer Fotos steht,
ist auch die Basis ihrer Bücher. Sie ist so unmittelbar in ihren literarischen Erzählungen, dass zwischen dem Leser und dem Gelesenen keine Luft bleibt.
Da passt wirklich nur ein Wort: ihre Bücher sind atemberaubend — oder anders gesagt, sie werden in einem Atemzug gelesen……
An PTBS zu leiden ist kein Zeichen
von Schwäche oder "Geisteskrankheit". Es ist die normale Reaktion auf ein außergewöhnliches Erlebnis. Genauso wie ein gesunder Knochen unter einer sehr schweren Last bricht, kann ein vorher gesunder Mensch in Folge traumatischer
Erlebnisse PTBS entwickeln. Und wie der Knochen ist auch dieses seelisches Leiden heilbar.
So wie sich heute die Menschen in der Ukraine
fühlen, so habe ich mich im November 1989
in Srinagar gefühlt. Die 5 Tage Krieg in Kashmir, die ich dort erlebt habe, haben mir 10 Jahre PTBS gebracht. Heute bin ich geheilt (seit zwanzig Jahren), aber was bliebt ist, die Fähigkeit, nachvollziehen der Angst, wenn man sich im Krieg befindet. Ich bin damals aus Srinagar mit der Maschine nach Delhi geflogen, wo in den Gängen Hunderte Diplomaten, Journalisten standen. Wenn ich es Jemandem hier erzählen wollte,
wurde mir gesagt: “Es ist verboten während des Fluges zu stehen“. Die Leute, die das damals zu mir gesagt haben, wissen bis heute nicht, wie ich sie dafür hasse… Kriege sollen verboten sein! Und ich habe es nur deshalb so erlebt, weil ich ein Kapitel über Skifahren schreiben wollte, in den Bildband, den ich damals über Indien gemacht habe.
Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS):
Folge extremer Erlebnisse wie körperlicher Gewalt oder Lebensbedrohung durch Katastrophen, die
die persönlichen Verarbeitungs- und Bewältigungsmöglichkeiten überfordern. Die Symptome beginnen typischerweise mit einer Verzögerung von Tagen, Wochen
oder Monaten nach dem belastenden Ereignis.
Die Symptome der PTBS können auch sofort,
also Stunden bis wenige Tage, nach dem einschneidenden Ereignis beginnen. Einem anfänglichen Zustand der Betäubung und Empfindungslosigkeit („wie vor den Kopf gestoßen“) folgen – je nach Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen – Depression, Angst, Ärger, Verzweiflung, Überaktivität oder sozialer
Rückzug. Der Arzt spricht hier von einer akuten Belastungsreaktion.
Zur Zeit des Ersten Weltkriegs sprach man von der „bomb-shell disease”, in Deutschland wurden PTBS-Patienten damals als „Kriegszitterer” bezeichnet.
In jüngster Zeit wurden weitere Unterformen der PTBS postuliert. Dazu gehört etwa das Post Cult Syndrome, das bei Leuten auftritt, die einen sektenähnlichen religiösen Kult verlassen haben.
Das Buch der tschechisch-deutschen Autorin
Eva Lexa vereint diese Syndrome zu einem neuen, ganz eigenen Phänomen. In den 90-er Jahren besuchte sie als Journalistin Kashmir und erlebte den Völkermord hautnah. Nach der Rückkehr aus dem Krisengebiet war ihr Leben nicht mehr wie zuvor.
Dank den richtigen Menschen,
bin ich seit 20 Jahren schon geheilt,
und es ist gut so...
An alle, die mir nicht glauben:
In meinen 10 Jahren PTBS habe ich gelernt, mit Menschen umzugehen,
die es mir nicht geglaubt haben. Ich dachte immer:
“Du brauchst es mir nicht zu glauben.
Aber ich habe es trotzdem erlebt.”
In letzter Zeit ist es mir wieder bei
einigen Menschen passiert. Sie glaubten mir nicht, aber ich benutzte die „gewonnene alte Erfahrung“. Ich bleibe ruhig und denke:
„Es ist trotzdem so, wie ich es Dir schildere.
Es ist wahr.“ Allerdings erwarteten meine
Mitmenschen, eine ganz andere Reaktion von mir,
nämlich dass ich entweder ausflippe oder versuche,
sie zu überzeugen. Nachdem mir dies in letzter Zeit oft passiert ist, habe ich überlegt, wie ich zu dieser Eigenschaft gekommen bin. Bei der Suche nach der Antwort habe ich oft an PTBS und die Verbindung mit meine Reaktion, gedacht. So habe ich die Antwort gefunden. Und zwar ich kann sehr gut damit umgehen, wenn mir die
Mitmenschen nicht glauben...
In meinen Büchern beschreibe ich in Romanform, wie sehr ich die Vietnam-Veteranen um das Sprechen über PTBS um ihre Therapie beneide.
Das war das erstenmal und letztenmal
wo ich Neid verspürte.
Es ist für manche Menschen unverständlich...
und verleitet manche Menschen dazu,
mich für die Eigenschaft,
dass es mir Wurst ist, dass sie mir nicht glauben,
zu beneiden. Aber niemand gibt Neid zu.
Also sucht man andere Angriffsgründe.
Die allerdings sind zwangsläufig falsch,
da sie nur im Kopf des Urhebers entstanden sind
und nichts mit mir zu tun haben.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia schreibt: „Besonders schwere Formen von PTBS sind etwa das so genannte KZ-Syndrom bei Überlebenden des Holocaust oder des sowjetischen Gulag-Systems und das speziell im englischen Sprachraum bekannte Post Vietnam Syndrome (PVS). Zur Zeit des Ersten Weltkriegs sprach man von der ‘bomb-shell disease’.
In jüngster Zeit wurden weitere Unterformen der PTBS postuliert. Dazu gehört etwa das Post Cult Syndrome, das bei Leuten auftritt, die einen sektenähnlichen religiösen Kult verlassen haben.“
Eva Lexas Roman ist dialogisch geschrieben. Zuweilen mischen sich weitere Stimmen ein,
ein seltsames Panoptikum von Männern,
Frauen und einem müden Käfer,
der sich mit einer Hauskatze unterhält.
Der Freudianer, ein Psychologe,
soll die Patientin Eva heilen und wird schließlich selbst zum Fall. Ein anderer Mann, Axel, will Eva mit selbsterlernten Hypnotherapien gefügig machen.
Allen gemeinsam ist die unfreiwillige Komik in dem, was sie sagen und tun, oft atemberaubend, abgründig, kafkaesk, zum Lachen und Weinen,
die den Roman auch wie eine gelungene Schweijkiade des 21. Jahrhunderts lesen lassen.
Stand heute: ich bin geheilt. Und das seit 20 Jahren.
In meinen 10 Jahren PTBS, habe ich gelernt mit den Menschen, die mir PTBS nicht geglaubt, umzugehen.
Allerdings bringt es mir gleichzeitig Probleme,
wenn ich meinen Mitmenschen etwas berichte,
was sie entweder nicht kennen oder es mir nicht glauben, erwarten die von mir ganz andere Reaktion
von mir an ihre Feststellung. Sie gehen
einfach von sich aus, wie sie reagiert würden,
wenn denen Jemand was nicht glauben würde.
Manchmal bringt mir meine Erfahrung
die ich mit PTBS gewonnen habe, Missverständisse.
Allerdings für meine innere Ruhe
ist es, die ganze Sache, nicht relevant…
Vor 30 Jahren erlitt ich ein Kriegstrauma,
lebte 10 Jahre damit,
ohne dass es diagnostiziert wurde.
Kein Mensch in meiner Umgebung wußte,
was das ist — mich inbegriffen.
Nach diesen zehn Jahren wurde es gleich während des ersten Gesprächs mit einem alten Psychologen erkannt, der noch Menschen aus dem KZ behandelte.
Er hat mir geholfen, mich von den Folgen dieses „Unfalls“ zu befreien. Ja, ein Trauma ist ein psychologischer Unfall.
Man kann es heilen, wie ein gebrochenes Bein.
Nur — das kaputtes Bein sieht man. PTBS, Tumor, und andere Erkrankungen sieht man nicht, sozusagen man kann es nicht in die Hand
nehmen, es bleibt nur dem Menschen, der darunter leidet, zu vertrauen.
Seit 20 Jahren bin ich mittlerweile geheilt.
Und jetzt hat es mich wieder eingeholt.
Gottseidank nur in einer Sache;
Ein paar Menschen, die über mein Erleben Bescheid wissen, sagen über mich, ich sei „vorbelastet“.
So ein Quatsch!
Ein Trauma ist keine Krankheit,
die langfristige Auswirkungen hat,
wenn es geheilt ist.
Jeder Mensch, der ein Trauma durchlebt und überwunden hat, ist dadurch stärker geworden.
So auch ich.
Genau so, wie Menschen, die sexuelle
Gewalt in der Kindheit erlebt haben,
leiden Menschen, die Kriegstraumen erlitten haben, unter den gleichen Schuldgefühlen: Ich habe mitgemacht, also bin ich schuld; ich habe Menschen verlassen, die sterben werden — also bin ich die Böse. Beides stimmt nicht. In meinem Fall sind, seit ich in Kashmir 1989 war bis 2002, 40.000 bis 80.000 Menschen gestorben.
Ein Trauma umfasst auch Gewissensbisse dafür,
dass man selbst der Gefahrenzone entkommen ist, aber die Zurückgebliebenen ihrem Schicksal überlässt. So war es bei mir. Deshalb haßte ich es, wenn jemand sagte; Sei froh das du es überlebt hast...
Ausschnitt aus meinem Buch:
>> Und der 11. September? Arzt
>> Da kannte ich schon meinen Neurologen, er begleitete mich, sozusagen.
>> Aber was haben Sie gefühlt? Arzt
>> Schlimm, es kam erstmals eine riesengroße Wut, sozusagen, da habt ihr es,
mir hat ja Niemand zugehört. Dann nach 14 Tagen ein
Gefühl von Satisfaktion. Dann
würde es besser.
>> Dort habe sie Ihre Wut begraben. Arzt
Mein Neid ist mit den Vietnamveteranen baden gegangen. Und die Wut mit 11.
September. Der Arzt hat entschieden:
Und zwar das ich PTSS habe,
aber voll einsatzfähig bin.
Die Wut in mir zu suchen hat sich als sinnloses Unterfangen erwiessen.
Aber wie ist es mit der Satisfiktion überhaupt.
Kein Mensch kann sich vorstellen, das man Schuldgefühle hat, wenn man überlebt, wenn man eine schlimme Sitution entkommt. Ich bin zwar am Leben, aber ich habe Tausende Menschen in den Ellend gelassen. Irgendwir fühlt man das das Gefühl falsch ist, und will es weggehaben...
Ich, zumBeispiel habe es so verarbeitet:
Ich schrieb es auf.
Aber wie ist es mit den vielen Füchtlingen die mit diesen Schuldgefühl leben mussen?
Ich weiß zwar die Antwort aber
behalte ich es für mich...
Es ist meine jahrelanges Beschäftigung mit diese Thematik, sollen sich die Köpfe die Psychologen damit, zerbrechen....